Warum jetzt der richtige Moment für Galerien ist, endlich online sichtbar zu werden

White Cube Galerieraum

Die Situation der Galeristen ist oft ist schwierig. Es ist aufwendig, junge Künstler aufzubauen. Sechs bis acht kostenlose Ausstellungen organisiert eine Galerie pro Jahr in den eigenen Räumen. Zur Eröffnung gibt es eine Vernissage, oft mit Künstlergesprächen und Musikprogramm. Die Etablierung von Künstlern auf dem Markt kann viele Jahre dauern. Bis dahin investiert der Galerist hohe Summen. Allein die Messekosten betragen 10.000 bis 20.000 €. Dabei ist stets unberechenbar, ob dort überhaupt Arbeiten verkauft werden. Die Sammler sind unregelmäßige Käufer, denn sie haben die Wahl zwischen einer Vielzahl von Messen und Biennalen.

Ein aktives Engagement im Marketing scheuen viele Galerien, insbesondere online und in den sozialen Medien. Man lässt lieber andere über sich sprechen bzw. schreiben. Zu groß ist die Angst, unseriös zu wirken. Überdies scheint die Aura der Kunstwerke in Gefahr. Denn im Browser-Fenster stehen die Arbeiten in neuen Kontexten. Parallel zu den Seiten einer Galerie hat der Nutzer womöglich andere Seiten geöffnet wie etwa Netflix, die Nachrichten oder ein Online-Shoppingportal. In dieser Umgebung könnten die Werke von Künstlern profan wirken. Ernsthafte Interessenten und Käufer findet man auf diese Weise nicht, sind noch immer viele Galeristen überzeugt. Eine digitale Galerie ermögliche einfach nicht dasselbe Erlebnis wie der Besuch einer Brick and Mortar Galerie.

Dem lässt sich mit dem Kunsthistoriker M. T. C. Michell entgegenhalten, dass die Online-Präsentation von Kunst durchaus Vorteile mit sich bringt: Der Interessent kann das Werk am Computerbildschirm sehr genau betrachten und hinein- oder hinauszoomen. Er kann es mit anderen Werken vergleichen oder parallel weitere Informationen zum Künstler oder der Technik aufrufen. So kann die Online Präsentation sogar ein größeres Verständnis ermöglichen.

Anders als auf Kunstmessen oder Vernissagen wird der potentielle Käufer nicht von den Massen durch die Räume geschoben. Er kann sich in Ruhe in die Werke vertiefen. Dennoch können wesentlich mehr Menschen die Kunst sehen, als es offline möglich wäre. Und das insbesondere in Zeiten von Corona. Es gibt also keinen Grund, auf digitale Präsentation zu verzichten und sich durch gezielte Marketingmaßnahmen mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.

Abb. 1: Online-Präsentation von Kunst im Portal Artsy

Im Netz schlummert ungehobenes Potenzial. Das beweist die Vielzahl von Portalen, die Originale oder Editionen aller Preissegmente online verkaufen. Die Beispiele reichen von Artsy (Abb. 1) über Lumas und artflash bis hin zum Kunstsupermarkt. Erfolgreiche Galerien wie David Zwirner und The Journal in New York oder König in Berlin machen es vor. Sie sind omnipräsent in den sozialen Medien und unterhalten aufwändige 3D-Online Viewing Rooms auf ihrer Website, teils hinter einer Mailschranke. Dort bieten Sie umfangreiche zusätzliche Informationen an. Sie führen Interviews, zeigen Videos oder Podcasts, damit potentielle Kunden ihre Künstler und deren Arbeit besser kennen lernen. Und sie bieten die Möglichkeit, sofort zu kaufen. Denn viele Menschen sind bereit, auch hohe Summen für Kunst auszugeben, die sie nur auf einer digitalen Plattform gesehen haben. Dies könnten viel mehr Galerien für sich nutzen und sich so unabhängiger von der Teilnahme an Kunstmessen machen.

Eine Online-Verkaufsstrategie ist nicht zuletzt im Einklang mit dem Nachhaltigkeitstrend. Weniger Messebesucher und mehr digitaler Austausch schonen die Ressourcen. Das ist ein wichtiges Thema für die nachwachsende Generation. Auch gestandene Sammler sind schon in den Jahren vor der Krise reisemüde geworden. Immer neue konkurrierende Messen und Biennalen überfordertn ihren Kalender. Der Kontakt zu diesen Sammlern kann über verstärkte Online Aktivitäten gehalten werden.

Die begehrten Sammler setzen oft Schwerpunkte und besuchen nur die wichtigsten Veranstaltungen. Dabei hatte der Kunststandort Berlin im Jahr 2019 oft das Nachsehen. So blieb art berlin und die Positions hinter den Erwartungen zurück. Das Jahr 2020 war krisenbedingt schwach. Das bekamen auch kleine Galerien zu spüren, die sich zwar keine Teilnahme leisten können, aber von den vielen Sammlern profitieren, die die großen Events in die Stadt spülen. Im Jahr 2020 konnte Berlin ein wenig aufholen. Die Art Berlin und das Gallery Weekend gingen, anders als viele andere etablierte Standorte mit einem Hygienekonzept an den Start. Trotzdem betrug der Einbruch der Einnahmen von Galerien im Schnitt 30 Prozent. Galerien könnten sich unabhäniger machen, indem sie ihr digitales Engagement professionalisieren. Doch wie können sie online sichtbar werden? Diese 3 Punkte sind für ein erfolgreiches Engagement im Netz am wichtigsten:

  • Jede Galerie sollte ein klares Profil haben (Nische festlegen und als Marke kommunizieren),
  • Einen Online Show Room (z.B. „Square Space“) mit Hintergrund-Informationen zu Künstlern und ihren Arbeiten aufbauen (Storytelling nutzen und Verbindung zum Publikum schaffen),
  • Ausgewählte Social Media Kanäle gezielt und dauerhaft qualitätvoll bespielen und dabei aktiv mit dem Publikum interagieren (Communitybuilding)
Abb.2 (links): The Journal Gallery bietet Hintergrund-Informationen bei Facebook-Post: Hier ein Künstlerinterview mit Chris Johanson / Abb. 3 (rechts): Der Online-Shop Tennis Ellbow bei Facebook

Die New Yorker Galerie The Journal macht es vor. Auf ihrer Facebook-Seite zeigt The Journal Gallery mehr als Bilder. Sie bietet Hintergrundinformationen über die Motivation von Künstlern und Details über einzelne Werke (vgl. Abb. 2). Parallel betreibt sie den Online Shop Tennis Ellbow (vgl. Abb. 3 ). Der ungewöhnliche Name erinnert an den Zustand, der von viel Übung herrührt. Das passt zu einem Ort, der neuen Künstlern eine Chance geben soll. Auf der Plattform Tennis Ellbow bietet die Galerie ihrer angemeldeten Community Arbeiten aktueller Künstler eine Woche früher zum Verkauf an, als sie in der Galerie zu sehen sind. Auf diese Weise schafft sie Aufmerksamkeit für neue Künstler, ohne diese durch die Präsentation zu viele Bilder zu verbrennen. Das Beispiel zeigt wie sich Galerien erfolgreich im Netz präsentieren und einen dauerhaften Kontakt zu Interessierten, Käufern und Multiplikatoren herstellen können.

Sie wollen mehr wissen? Dann lesen Sie meinen Artikel über die 7 Gründe, warum Menschen Kunst kaufen  → Mehr hier

Quellen:
Der Tagesspiegel, Kunstverkauft digital. Hier kommt niemand hinein, in: Tagesspiegel.de: (04/2020), https://www.tagesspiegel.de/kultur/kunstverkauf-digital-hier-kommt-niemand-hinein/25750940.html (06.05.2020).
Jarmuschek, Kristian, Sturm, Birgit Maria, Der Gau. Die Verkäufe in Galerien sind auf null gefallen, in: kulturrat.de (03/2020), https://www.kulturrat.de/corona-pandemie/lageeinschaetzungen-kulturbereiche/der-gau/ (06.05.2020).
Jarmuschek, Kristian, Sturm, Birgit Maria, The Meltdown. Gallery sales drop to zero, in: artmarketstudies.org (04/202), https://www.artmarketstudies.org/tiamsa-blog-effects-of-the-corona-crisis-on-german-art-galleries/ (06.05.2020).
Kuhn, Nicola, Art Berlin wird eingestellt Aus für Berlins wichtigste Kunstmesse, in: Tagesspiegel de (12/2019), https://www.tagesspiegel.de/kultur/art-berlin-wird-eingestellt-aus-fuer-berlins-wichtigste-kunstmesse/25323446.html (06.05.2020).
Meier, Anika, Corona in die Strichkrise. Was im Lockdown über das Digitale gelernt haben, in: monopol-magazin.de (06/2020), https://www.monopol-magazin.de/was-wir-im-lockdown-ueber-das-digitale-gelernt-haben (08.06.2020).
Moll, Sebastian, Kunsthistoriker W.J.T. Mitchell über digitale Bilder. Die ästhetische Distanzierung passt perfekt in unsere Zeit, in: monopol-magazin.de (05/2020), https://www.monopol-magazin.de/interview-mitchell-kunst-online (08.05.2020).
Rieger, Birgit, Zur Situation der Berliner Galerien. Das prekäre Geschäft mit dem Glamour, in: Tagesspiegel.de (11/2019), https://www.tagesspiegel.de/kultur/zur-situation-der-berliner-galerien-das-prekaere-geschaeft-mit-dem-glamour/25254404.html (06.05.2020).
Reger, Birgit, die Rahmenbedingungen sind nicht gut. Das Corona Virus trifft auch den Berliner Kunstmarkt, in: Tagesspiegel.de (3/2020), https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-rahmenbedingungen-sind-nicht-gut-das-coronavirus-trifft-auch-den-berliner-kunstmarkt/25649756.html
Schneider,Tim im Interview mit Andrew Goldstein, Three ways coronavirus will transform the art world [Audio-podcast], in: artnet.news The Art Angle (03/2020); https://soundcloud.com/the-art-angle/three-ways-coronavirus-will (04.08.2019).

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